Forschende an der Hochschule München entwickeln ein Antriebssystem für Pumpen, die selbst unter extremen Bedienungen in mehr als tausend Metern Tiefe effizient und zuverlässig arbeiten können – ein wichtiger Baustein für die hydrothermale Tiefengeothermie in Bayern.
München, 2. Februar 2023 – „Wenn die Energiewende gelingen soll und wir in Zukunft zu einem bezahlbaren Preis unser Wohnzimmer heizen wollen, dann müssen wir die Effizienz regenerativer Energiegewinnung steigern – das gilt für Solaranlagen und Windräder, aber auch - und vor allem - für geothermische Kraftwerke“, betont Prof. Christoph Hackl, Leiter des Labors für Mechatronische und Erneuerbare Energiesysteme (LMRES), an der Hochschule München. Im Projekt „Prototypenbau eines neuartigen Pumpenmotors“ arbeitet sein Team an einer effizienten Förderung von heißem Wasser aus tiefen Gesteinsschichten: „Die Geothermie hat den Vorteil, dass sie jederzeit und unabhängig vom Wetter zur Verfügung steht. Daher ist sie eine wichtige Ergänzung zu Wind- und Solarenergie.“
Geothermie sehr gut nutzbar in Südbayern
Vor allem in Südbayern sind die Voraussetzungen für eine Nutzung der Erdwärme ideal: Im Molassebecken, wo sich Sedimente abgelagert haben, als die Alpen zu einem Gebirge emporwuchsen, gibt es zahlreiche wasserführende Gesteinsschichten, die durch die Hitze aus dem Erdinneren erwärmt werden. Mit Hilfe von Tiefbohrungen lassen sich diese hydrothermalen Wässer erschließen. Berechnungen der Geothermie-Allianz Bayern gehen davon aus, dass beispielsweise in der Metropolregion München bis zu 67 Prozent des Wärmebedarfs durch hydrothermale Tiefengeothermie gedeckt werden könnten.
Die Technik dafür ist vorhanden: 29 Tiefen-Geothermie-Projekte wurden in Bayern bereits realisiert. „Ein Problem sind die Kosten. Man muss erst einmal tiefe Bohrungen durchführen und dann die hydrothermalen Wässer heraufpumpen. Das ist enorm aufwändig und energieintensiv – bisherige Pumpen haben keinen besonders hohen Wirkungsgrad und fallen häufig aus“, erklärt Hackl.
Robuste Antriebe für widrige Einsatzbedingungen
Elektrische Antriebe sind sein Spezialgebiet: Seit Jahren entwickelt der Elektrotechniker für verschiedene industrielle Anwendungen Antriebssysteme, die robuster, langlebiger und sparsamer sind als traditionelle Modelle. Diese Antriebe, als Pumpenmotoren eingesetzt, sollen jetzt auch die Geothermie effizienter machen. Motoren für den Einsatz in Bohrungen zu optimieren, ist allerdings eine besondere Herausforderung. Bohrlöcher sind eng und die Bedingungen in tausenden von Metern Tiefe extrem: Die Antriebe müssen hohem Druck, Temperaturen von über 100 Grad und aggressiven Chemikalien standhalten.
Das Projekt ist Teil des Forschungs-Netzwerks Geothermie Allianz Bayern (GAB), in dem Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an fünf Universitäten erforschen, wie sich geothermische Energie besser nutzen und in die Versorgungsinfrastruktur integrieren lässt. Gefördert wird die GAB durch das Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst.
Das Ziel des Designs: Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen
An der Hochschule München ist die Zukunft nur einen Mausklick entfernt. Auf Hackls Monitor öffnet sich ein Fenster, es erscheint das Computermodell des neuen Pumpenantriebs: ein extrem dünnes und langes Gebilde mit einem Durchmesser von 22 Zentimetern und einer Länge von mehr als zehn Metern. „Wir experimentieren derzeit mit verschiedenen Designs“, erläutert der Forscher. „Die Anforderungen an die Stabilität der Konstruktion sind enorm. Hinzu kommt, dass wir möglichst materialsparend arbeiten wollen, die Antriebe aber auch so robust sein sollen, dass sie über Jahre störungsfrei laufen und ihr Wirkungsgrad mindestens zehn Prozent höher ist als bisherige Motoren."
Erhöhung des Wirkungsgrads: Beitrag zur Wärmewende
Mit Hilfe von Computermodellen entwirft Hackls Team nicht nur das Design der Antriebe, sondern auch die Steuer- und Regelungstechnik, die für die Fehlererkennung und die Optimierung der Leistung benötigt werden. Dank einer eigens entwickelten virtuellen Testumgebung lässt sich schon während der Entwurfsphase die Effizienz des Systems virtuell überprüfen. Bis zum Ende der Projektlaufzeit 2024 soll dann auch ein Prototyp gebaut und im Labor der Hochschule München getestet werden. „Das Potenzial der neuen Pumpantriebe ist enorm“, betont Hackl: „Der Energiebedarf der Motoren ist beträchtlich – er liegt im Megawatt-Bereich. Wenn wir da den Wirkungsgrad erhöhen und die Wartungsintervalle verlängern können, wäre ein essentieller Schritt auch in der Wärmewende getan.“
Die Geothermie-Allianz Bayern 2.0 (GAB) ist ein standortübergreifender, hochschulweiter Forschungsverbund der Technischen Universität München, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Universität Bayreuth, der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Hochschule München, der von Januar 2021 bis Dezember 2024 läuft. Die HM beteiligt sich seit Oktober 2021 am Teilprojekt „effizient. Wärmewende durch intelligente Nutzung der Tiefengeothermie“, das sich mit der Auslegung eines neuen Pumpenantriebs für Tauchkreiselpumpen beschäftigt.
Prof. Christoph Hackl
Christoph Hackl promovierte 2012 interdisziplinär an der Technischen Universität München in Mechatronik und Systemtheorie. 2018 wurde er zum Professor für “Elektrische Maschinen und Antriebe” an die HM berufen. Mit fünf Kollegen gründete er in 2019 das HM-Forschungsinstitut "Nachhaltige Energiesysteme”. In 2022 gewann er den HM-Oskar für angewandte Forschung. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen mechatronische und regenerative Energiesysteme. Er hat mehr als 150 Konferenz-/Journal-/Buchbeiträge veröffentlicht.